Trigon Themen 03|2021

Emergenz: Das Entstehende sehen und nutzen

Glasls Glosse

Als „Trigon Entwicklungsberatung“ Anfang 1985 startete, war das in Österreich (und im deutschsprachigen Raum) das erste Consultingunternehmen, dessen Gründer bereits über 30 Jahre Erfahrung mit Organisationsentwicklung (OE) und Personalentwicklung (PE) hatten.

Zu der Zeit wurde Entwicklungsberatung mit Entwicklungshilfe für die Dritte Welt assoziiert, indem Expertinnen und Experten den Rat-Bedürftigen Lösungen zur Verfügung  stellten. Auch im Organization-Consulting war Expertenberatung die gängige Form und stellte Modelle und Lösungen für Reorganisationen zur Verfügung. Dabei gingen Beraterinnen und Berater und Klienten nicht auf Augenhöhe miteinander um, sondern verhielten sich komplementär: Was die eine Seite gibt, empfängt die andere Seite passiv.

Für Trigon-Beraterinnen und -Berater stand diese Art der Beratung im Widerspruch zum Anliegen von Entwicklung. Denn bei OE und PE geht es darum, Organisationen und Teams und Individuen in ihrer Entwicklung zu unterstützen. Das Ziel einer jeden Entwicklung – ob Person, Gruppe oder Organisation – ist ein Zuwachs an Fähigkeiten, um den komplexer gewordenen Ansprüchen nach eigenen Wertvorstellungen und aus eigener Kraft immer besser entsprechen zu können. Grundsätzlich kann man nie einen anderen Menschen entwickeln! Zwar können Pädagoginnen oder Coaches, Therapeutinnen oder Mediatoren etc. dabei unterstützend wirken, indem sie konsequent auf Eigenverantwortlichkeit des Individuums bauen. Jedoch entwickeln kann nur jeder sich selbst. Das gilt auch für Organisationen: Sie können sich nur selbst entwickeln. PE- und OE-Profis können die Menschen befähigen und unterstützen, dass sie Innovationen aus eigener Einsicht, aufgrund eigenen Wollens und aus eigener Kraft durchführen. Doch weil diese Unterstützung keine Beratung im klassischen Sinn ist, sprechen wir besser von „Entwicklungsbegleitung“. Sie gibt Raum für das im Klienten vorhandene Potenzial, damit es emergieren und sich entfalten kann.

Dieses Begleiten ist einer Bergführung ähnlich: Wenn ich als Tourist einen mir unbekannten, anspruchsvollen Gipfel besteigen möchte, suche ich mir eine erfahrene Bergführerin oder einen Bergführer. Auf welchen Berg die Gipfelfahrt gehen soll, bestimme ich natürlich selbst – nehme aber bei aller Begeisterung für das Ziel die Hinweise der Profis auf Schwierigkeiten und Gefahren ernst. Als Tourist muss ich selbst Essen und Trinken sowie gute Ausrüstung besorgen und mittragen und die Empfehlungen meiner erfahrenen Bergführerin beachten. Sie kann mich auch bei Übungen zur Konditionssteigerung anleiten. Doch auf den Berg gehen muss und will ich selbst, mit der Begleiterin an meiner Seite, um mich nötigenfalls zu sichern.

Denn nur so kann ich mein eigenes Erfolgserlebnis haben.