Trigon Themen 1|2019

Der Weg zu mehr Agilität als Doppelstrategie
Strategische Einbettung ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor, damit die kulturelle Transformation zu mehr Agilität in Organisationen gelingen kann. Wenn Zukunftssicherung neben dem bestehenden Geschäft etabliert werden soll, dann brauchen die relevanten Themen und Player eine strategische Verankerung.

Agilität ist in aller Munde. Der Einsatz von agilen Methoden wird als Heilsversprechen angepriesen. Die Experimentierfreude in Unternehmen steigt – und ebenso die Angebote mehr oder weniger seriöser Beratungsleistungen. Unsere Beobachtungen und die Beratungspraxis zeigen, dass sich aktuell viele Organi- sationen mit ähnlichen Fragen beschäftigen, ohne dies explizit in den Kontext von Agilität zu stellen bzw. es so zu benennen. Häufig erkennt man, dass das klassische Innovationsmanagement nicht mehr ausreicht und man versucht es über agile Methoden (wie zum Beispiel Design Thinking, …). Der Zugang rein über die Methode kann im Kleinen (zum Beispiel im Projektkontext  Scrum  einzusetzen) sicherlich hilfreich sein. Möchte man eine Organisation in Summe in Richtung Agilität in Bewegung bringen, wird man früher oder später erkennen, dass es unabdingbare Wirkzusammenhänge zwischen Strategie, Struktur und Kultur gibt und es sich um ein komplexes Unterfangen handelt. Dann sind isoliert eingesetzte Methoden einfach zu wenig.

 

Agilität ein relevanter Wirtschaftsfaktor?

Mangelndes Hintergrundwissen und Verständnis im Management können dazu führen, dass Zukunftsthe- men wenig Aussicht auf Erfolg bekommen und oft im Keim erstickt werden. Häufig genug wird engagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gesagt, „Probiert es mal aus, aber bitte keinen großen Aufwand!“ Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter arbeiten mit Herzblut an Themen und müssen zu einem späteren Zeitpunkt erfahren, dass ihr Thema – nicht selten handelt es sich um  Herzensangelegenheiten – gestoppt werden muss. Weil es nicht zur Unternehmensstrategie passt, weil das Marktpotenzial nicht gesehen wird, weil es kein Kundeninteresse gibt. So werden häufig wertvolle unternehmerische Ressourcen und Humankapital vergeudet und Chancen für die Zukunft vertan, weil ein Mindestmaß an Ausrichtung und Alignment fehlte. Die Transformation zu mehr Agilität kann nicht alleine auf untere Ebenen oder in einzelne Bereiche delegiert werden, ebenso kann Agilität nicht von oben verordnet werden.

Agilität fordert Entscheidungsträger

Agilität braucht Verständnis, Haltung, Legitimation, Fokussierung und Priorisierung sowie Reflexion und Konsequenz im Denken und Handeln von Entscheidungsträgern. Manager sind bei agiler Transformation Botschafter und Gestalter zugleich. Sie leben vor und tragen maßgeblich dazu bei, dass etwas Neues entstehen kann – oder auch nicht. Sie schaffen Möglichkeitsräume oder bewirken, dass Systeme im Status Quo verharren. Immer haben sie Vorbildwirkung. Walk the Talk!

 

Häufige Fehler und deren Folgen

  1. Bei Zukunftsthemen zu sparen, kann unternehmerisch richtig teuer
  2. Durch halbherzige Zugeständnisse oder Lippenbekenntnisse werden wertvolle Ressourcen vergeudet und Zukunftschancen
  3. Unrealistische Erwartungen an den kurzfristigen sind Killer für Zukunftsthemen.
  4. Durch Nichthandeln und Abwarten hat man im Extremfall irgendwann den Anschluss verpasst, die Zukunft verschlafen und fliegt aus dem Markt

 

Warum also eine Doppelstrategie?

Im digitalen Zeitalter mit radikalen disruptiven Entwicklungen wird die vorausschauende Selbsterneuerung zum zentralen Erfolgsfaktor für den Fortbestand von Unternehmen und Organisationen. Zukunftssicherung und die Bearbeitung von Zukunftsthemen brauchen strategische Verankerung sowie Fokus im Management- und Führungssystem, ansonsten haben sie neben dem bestehenden Geschäft kaum eine bzw. keine Überlebenschance. Die Herausforderungen hierbei liegen darin, dass es das bestehende Geschäft weiterzuentwickeln und auszubauen gilt – und gleichzeitig der Raum für neues, zukunftssicherndes Geschäft zu schaffen ist. Hier sehen wir den Charme einer Doppelstrategie. Wenn die Entwicklung von Zukunftsthemen strategisch gleichgewichtig zum bestehenden Geschäft verankert wird,  dann  gibt es kein  entweder – oder   mehr, sondern ein    sowohl – als auch. Kein unterschwelliger Kampf mehr um Budget und Ressourcen. Kein Niederpriorisieren von neuen Themen, wenn es im bestehenden Geschäft knapp wird. Denn beide Bereiche sind für das Fortbestehen (kurz-, mittelfristig) und die langfristige Zukunftssicherung strategisch gleich wichtig! Hat man die Themen strategisch positioniert, warten aber noch weitere Hürden, die häufig nicht im Bewusstsein von Entscheidungsträgern sind.

 

Die zwei unterschiedlichen Logiken

Die Herausforderung für das Management- und Führungssystem liegt im Wesentlichen darin, dass es sich um zwei unterschiedliche Logiken des Steuerns und Führens handelt. Das bestehende und das zukünftige Geschäft brauchen jeweils andere Formen des Managens und Führens. Logik 1: traditionell/ klassisch versus Logik 2: innovativ/agil. Das heißt für Manager und Führungskräfte, dass sie beide Logiken unter einen Hut bekommen und je nach Kontext anders agieren müssen (siehe Grafik).

Strategie, Struktur und Kultur spielen in der Organi- sationsentwicklung wie in einem Ensemble zusammen. Strategische Ausrichtung, strukturelle Ausgestaltung und kulturelle Umsetzung – jeder Faktor für sich allein wird die gewünschte Wirkung nicht erzielen. Idealerweise braucht es daher auch ganzheitliche Bearbeitungsformate.

Natürlich wird es im Einzelfall Beispiele geben, in denen sich Teams mit einem reinen   durchschlagen, ein Thema positionieren und zum Erfolg bringen. Unsere Erfahrungen zeigen aber, dass es erfolgreicher, kostengünstiger und ressourcenschonender abläuft, wenn die Transformation zu mehr Agilität (als langfristig angelegter Kulturwandel verstanden) strategisch eingebettet und im Zusammenspiel von  und  als gemeinsamer Lern- und Entwicklungsprozess implementiert und sukzessive etabliert wird.

 

Lesen Sie mehr zum Thema Agilität in unserer Gesamtausgabe Trigon Themen 01/2019