Trigon Themen 03|2022

Interior Condition und Resonanz

Glasls Glosse

Die Insolvenzforschung hat erkannt, dass Unternehmen u.a. scheiterten, weil die Führung nur auf „hard facts“ (Finanzdaten, Umsatzzahlen) geachtet und nicht die „soft facts“  berücksichtigt hatte: Betriebsklima, Konflikte, Ängste und Sorgen der Mitarbeiterinnen. Die Beachtung der weichen Fakten hätte ihr schon früh Hinweise auf eine Unternehmenskrise gegeben.

Das Kernproblem war, dass auf die Wirklichkeit wie gewöhnt mit dem „Mikroskop“ statt dem „Makroskop“ (Joel de Rosnay, 1979) geschaut wurde. Im Mikroskop werden analytisch-rational Einzelheiten und deren Details angeschaut, wie das für technische Problemlösungen unerlässlich ist. Hingegen ist der Blick durch das Makroskop bewusst unscharf und  zerlegt nicht Details. Doch er nutzt sowohl die Ratio als auch das Gefühl und Synästhesie, d.h. das Zusammenwirken mehrere Sinne zu einem Gesamteindruck, z.B. wenn wir beim Musikhören Farben sehen, bei bestimmten Farben Vitalität empfinden usw. Er ist nicht auf einzelne Elemente gerichtet, sondern auf die Gestalt der Beziehungen zwischen den Elementen.  Deshalb empfiehlt sich der makroskopische Blick für soziale und wirtschaftliche Fragen. Denn beim Erfassen des sozialen Klimas bzw. der Stimmungslage in einer Organisation geht es um die Qualität der Beziehungen, eines „psycho-sozialen Feldes“, des „Zwischen“ – also um die Dynamik zwischen Personen und Gruppen. Mit intuitiven Fähigkeiten können wir Energien und Muster von Kräftewirkungen wahrnehmen, wie dies auch Albert Einstein, Hans-Peter Dürr und viele Spitzen-Wissenschaftler betonten (siehe BR-Alpha 2010). Während eine durch das Mikroskop gewonnene Erkenntnis zumeist statischer Art ist, ermöglicht das Makroskop ein Erfassen der Charakteristik von Veränderungsdynamiken, z.B. des Wachsens von Pflanzen und Tieren, der Entwicklung von Individuen, Gruppen oder Organisationen, oder von Krankheitsverläufen etc.! Wie die Psychologin Regina Morgenstrahl (2019) mit Untersuchungen und Experimenten nachgewiesen hat, kann Intuition durch systematische Schulung entwickelt werden. Mit den heute oft praktizierten Achtsamkeits-Übungen wird die hierfür nötige Selbststeuerung von Wahrnehmen, Denken, Fühlen und Wollen gefördert und kann weiter vertieft und gestärkt werden mit den von Rudolf Steiner (1904/05) und Georg Kühlewind (2000) entwickelten Denk-, Gefühls- und Wahrnehmungsübungen. Intuition ist nicht irgendein dumpfes Bauchgefühl, wie es vielleicht aus der Verdauung aufsteigt, sondern eine ganzheitliche Wahrnehmungs- und Erkenntnisform, die Denken und Fühlen integriert. Sie kann geschult werden wie z.B. verstehendes Hören von Musik. Dann kann Intuition zu einer zuverlässigen Grundlage von Entscheidungen für komplexe und dynamische Situationen werden.

 

Zitierte Literatur:
BR Alpha, Hrsg. (2010): Auf den Spuren der Intui
tion. Die 13-teilige Serie im BR. DVD. München.
Kühlewind, Georg (2000): Der sanfte Wille. Stuttgart.

Morgenstrahl, Regina (2019): Intuition.Theorie und
praktische Anwendung. Books on Demand.
De Rosnay, Joel (1979): Das Makroskop.
Reinbek bei Hamburg.
Steiner, Rudolf (1904/05): Wie erlangt man
Erkenntnisse der höheren Welten? Dornach.