Trigon Themen 01|2022

Erfolgsfaktor Entscheiden

Entscheidungen sind Startpunkte

Bei einer von uns begleiteten Umstrukturierung wurden partizipativ Möglichkeiten entwickelt, bis sich eine überlegene Alternative zeigte. Dann fiel die Entscheidung leicht – und es war auch die Entscheidung, die Lösung lebendig zu halten.

Das traditionelle Paradigma bei Entscheidungen fokussiert auf die Bewertung und sieht in etwa folgendermaßen aus: Es zeigt sich ein Problem, für dessen Lösung Möglichkeiten gesammelt werden. Diese werden nach Kriterien bewertet und die beste wird von den Verantwortlichen ausgewählt. In diesem Paradigma ist es relativ leicht, verschiedene Möglichkeiten zu entwickeln, aber schwer, die beste herauszufinden. Dies besonders dann, wenn es wichtig ist, dass eine Lösung auch akzeptiert wird und gut „ins Leben“ gebracht werden soll.

Ganz anders ist das Herangehen bei dem, was „Design Attitude“1 genannt wird. Auch hier gibt es verschiedene Möglichkeiten. Diese werden allerdings über den gesamten Prozess weiterentwickelt, kombiniert und verbessert. Dadurch kann sich etwas herauskristallisieren, das man eine „überlegene Alternative“ nennt. Wenn diese vorliegt, ist die Entscheidung trivial. Auch dann ist die Lösung aber nicht fertig, sondern sie bleibt lebendig und darf sich auch nach der Entscheidung verändern und entwickeln. Wir nennen das „Entwicklungs-Haltung“. Mit anderen Worten: Entscheidungen sind Startpunkte, keine Endpunkte.

 

Wie kann das in der Praxis aussehen? Wir begleiteten eine Umstrukturierung bei der Miba AG. Dieser oberösterreichische Industriekonzern entwickelt und produziert funktionskritische Komponenten entlang der Energie-Wertschöpfungskette. Er beschäftigt mehr als 7.500 Personen in 31 Standorten weltweit. Ziel war es, die Organisation des Finanzbereichs zu verbessern, um besser skalierbar zu werden, Synergien zu nutzen, mehr Rollenklarheit und bessere Entscheidungsfindung zu erhalten. Als primärer Hebel wurde dazu eine Änderung der Struktur ausgewählt, wobei klar war, dass dann auch Funktionen, Prozesse und die Kultur eine wichtige Rolle spielen.

 

 

 

Aus den betroffenen Führungskräften wurde ein Kerngruppe damit betraut, die neue Lösung im Sinne aller zu entwickeln. Jedes Mitglied bekam die Aufgabe, Gespräche zu führen, so dass die Interessen aller gehört wurden. Aufbauend darauf entwickelte jedes Mitglied der Gruppe neue Struktur. Das waren insgesamt acht Lösungen – von denen die des Projektauftraggebers CFO (siehe Interview) auch nur eine gleichberechtigte war.

In einer Klausur wurden diese Lösungsideen verglichen. Aufgrund der Gemeinsamkeiten und Unterschiede entstanden daraus zwei grundlegende Lösungsrichtungen. Diese wurden in intensiven Diskussionen so gestaltet, dass alle Anwesenden ihre ursprüngliche Variante in zumindest einer davon ausreichend abgebildet sahen.

Für den Willensbildungsprozess zwischen diesen Varianten setzten wir die Methode „Six Thinking Hats“ von Edward de Bono ein.2 Neben Pros und Contras wird ausdrücklich auf Emotionen geachtet und die Frage, was man an der Lösung noch kreativ ändern könnte. Dabei zeigte sich, dass es offensichtlich bereits eine überlegene Alternative gab, was der Gruppe bis dahin aber nicht bewusst war. Die Pros überwogen, die Emotion war positiv, es gab Fantasie für die Weiterentwicklung und die ganze Energie war bei einer der Möglichkeiten so hoch, dass diese eindeutig von der gesamten Gruppe als besser erlebt wurde

Damit war die grundsätzliche Richtung klar. Zweifel und Einwände wurden mit einzelnen „Co-Resolve“ Techniken (siehe Kasten) aufgegriffen. So konnten weitere wertvolle Aspekte integriert werden und das Ergebnis gewann an Qualität und Commitment. Es gab am Ende ein klares Bild von der gewünschten Lösung, von der alle überzeugt waren und die keine der ursprünglichen acht Lösungen war. Damit ist die Entwicklung aber nicht zu Ende, sondern diese Lösung wurde weiteren Feedbackschleifen in der Organisation unterzogen und in Wechselwirkung mit den Betroffenen überarbeitet und geschärft.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

1 Boland, Richard J; Collopy, Fred (2004): Managing as Designing. Stanford Business Books.
2 De Bono, Edward (1999). Six Thinking Hats. Back Bay Books (revised and updated, Original 1985).