Trigon Themen 02|2020

Zukunft der Arbeit - Arbeit der Zukunft

Quer zu allen bestehenden Strukturen: Das Potenzial der internen Communities.

von
Johannes Narbeshuber und Elisabeth Cartolaro

Communities bei der Deutschen Telekom ergänzen bestehende Funktionen und Prozesse, disrumpieren sie manchmal und ermöglichen mit ihrem kreativen Potenzial völlig neue Formen der Bindung und Zusammenarbeit.

Viele Konzerne haben sich an internen Kollaborations- und Social Media-Plattformen versucht. Viele sind trotz hoher Investitionen gescheitert. Einen wesentlichen Anteil daran, dass sich die Plattform YOU&ME (YAM) der Deutschen Telekom weltweit so großer Beliebtheit erfreut, haben die Communities, die sich dort gebildet haben:

 

Die „GUIDES“

In der Anfangszeit von YAM zeigte sich rasch, dass es ein paar Heavy User gab und viele Nutzer, die mit dem neuen Medium mehr oder weniger überfordert waren. So weit, so klassisch. Bis zu dem Moment, als einige Heavy User auf die Idee kamen, sich zu vernetzen, um den weniger YAM-affinen Kolleg/innen gezielt Unterstützung anzubieten. Das selbstorganisierte, ehrenamtliche Unterstützungs-Netzwerk zum Anders Arbeiten gab sich den Namen „Die GUIDES“. Die erste Community, die Anders Arbeiten thematisierte,  war geboren. Mit ihrer Hilfe vervielfachte sich die Zahl der aktiven, systemkompetenten YAM-Nutzer in kurzer Zeit. Heute gibt es 400 GUIDES in 30 Legal Entities der Telekom an 48 Standorten.

Doch nicht nur die GUIDES wurden mehr. Rasch wuchsen weitere Communities, die sich um unterschiedliche Anliegen formierten und engagierte Menschen quer über alle Grenzen von Ländern und Business Units verbanden. Im Folgenden vier weitere von mittlerweile über 30 erfolgreichen Beispielen:

 

Die „TELEKOM BOTSCHAFTER“

Die TELEKOM BOTSCHAFTER sind in Twitter nicht zu übersehen mit ihrem Magenta #Werkstolz Logo und Tweets. Sie haben echte Influencer hervorgebracht und sind mit ca. 120 aktiven Mitgliedern mit den GUIDES das älteste Menschen-Netzwerk in YAM. Sie gestalten Aktionen, um intern wie extern „Magenta Werkstolz“ zu zeigen und Erfolgsgeschichten zu teilen. Sie wollen das persönliche Gesicht der Telekom sein. Alles geschieht freiwillig, nicht verordnet: Die „Botschafter“ fühlen sich wohl in dieser Rolle und ziehen Kraft aus ihren Aktionen.

 

Die „DEVELOVERS“

Der Wandel vom klassischen Telekommunikationsanbieter mit staatlicher Verwaltungsherkunft zu einer global agierenden Software Driven Company ist ein herausfordernder, langjähriger Prozess. Schnell, leicht und unkompliziert dagegen ist die Kultur der DEVELOVERS. Neben dem operativen Tagesgeschäft haben sie einfach damit angefangen, die versprengten Softwareentwicklungskompetenzen im Konzern in Hackathons (Wortschöpfung aus „Hack“ und „Marathon“) zusammenzubringen. Ein Kernteam von 15 Kollegen und Kolleginnen hat es geschafft, eine Community zu formen, gemeinsam Ideen direkt in YAM zu realisieren und Produktideen in Software-Prototypen umzusetzen.

 

LEX: LERNEN VON EXPERTEN

Eine Vielzahl an ca. 30.000 Fort- und Weiterbildungsangeboten zu planen, zu administrieren und zu evaluieren ist klassische HR-Arbeit, in einem Konzern zudem extrem aufwändig und komplex. Völlig quer zur Linienverantwortung begannen einzelne YAM-User, Erklärvideos zu Fragen von Kollegen auf die Plattform zu laden oder Support-Sessions anzubieten. Inzwischen ist die daraus neu entstandene Community LEX an der internen Personalentwicklung und ihren Trainingsangeboten vorbeigezogen wie Airbnb an der Hotelbranche. LEX ist heute die weltweit größte Community im Social Enterprise Network. Täglich kommen neue Inhalte aus der ganzen Welt hinzu. Die Palette der virtuellen Sessions reicht von Programmieren, digitalen Tools über Selbstverteidigung bis Bullet Journaling. Jeder kann anbieten, was er am besten kann und ihn begeistert. Die Zahlen sind innerhalb von zwei Jahren explodiert. LEX macht einfach Spaß, so bestätigen es die User.

 

#YOUMATTER

Die Kulturinitiative #YOUMATTER entstand  2015 als grassroot Bewegung. Sie richtet sich an Teams, die aktiv etwas für die Stärkung des Einzelnen und für das Klima der Zusammenarbeit tun wollen. Neurowissenschaften, Mindfulness und positive Psychologie fließen in das Angebot für Selbstreflexion und persönliche Weiterentwicklung. Durch die Weiterempfehlung begeisterter Teilnehmenden entstand ein regelrechter Schneeballeffekt: Allein 2019 erreichte #YOUMATTER digital 14.350 Interessierte und annähernd 1.000 freiwillige Workshopteilnehmende vor Ort. Das Kernteam hat 2019 einen *U.matter HUB* zur Begleitung des Theory U MOOC’s (Fußnote: massive open online course des Presencing Instituts mit in 2019 weltweit > 10.000 Teilnehmern)*Leading from the emerging future* von Otto Scharmer angeboten und sich vielfältig mit anderen Communities wie YOUCHANGE oder MAGENTA WERKSTOLZ vernetzt.

Bausteine des Gelingens

Was hat zum Erfolg dieser und aller weiteren Communities beigetragen? YAM bildet die gemeinsame technologische Grundlage. Genauso unabdingbar sind Initiatoren und Pionierpersönlichkeiten, die viel Zeit, Kompetenz und Herzblut in „ihre“ Initiativen stecken. „Ein Menschen-Netzwerk braucht jemanden, der den Raum schafft für Austausch, persönliche Weiterentwicklung, sprich die Community zusammenhält und voranbringt.“ erklären die GUIDES.

Leichter möglich wird das dadurch, dass sich Future Work und Mobile Working auch in Tarifverträgen wiederfinden, die inzwischen rund 30.000 Beschäftigte betreffen. Die mittlerweile offizielle 80/20 Regel erlaubt es den Mitarbeitenden, 20% ihrer Arbeitszeit in Konzernprojekten einzubringen, die nicht zu ihrem unmittelbaren Umfeld gehören.

Auch die jahrelange Investition der Deutschen Telekom in die Qualifizierung hunderter Mitarbeitender in Facilitation, Coaching, Design Thinking, Veränderungsbegleitung oder agilem Arbeiten macht sich heute bezahlt. Nahezu alle Initiatorinnen erfolgreicher Communities haben über die Jahre aus eigener Initiative daran teilgenommen.

 

Gemeinsamkeiten und Unterschiede

Die entstehende Kultur der Vernetzung wächst organisch aus freiwilligen Macher-Netzwerken,

Das bringt es mit sich, dass es zwischen den Communities auch beträchtliche Unterschiede gibt. Manche sind kuratiert, manche völlig offen. Einige haben sich mittlerweile beachtliche Budgets organisiert, andere arbeiten völlig ohne zusätzliche Mittel. Die meisten haben eine Basisfinanzierung von ein paar tausend oder zehntausend Euro im Jahr. Manche Communities wachsen rund um agil organisierte Kernteams, andere hängen stark an einer Einzelperson.

In einer Zeit der permanenten Umstrukturierung bieten die Communities neue Heimaten und sinnstiftende Bezugssysteme.

Sich neugierig, den eigenen Bedürfnissen entsprechend und frei im Betrieb bewegen und dabei *zweck- und absichtslos* mit anderen Kollegen kommunizieren können, gehört wohl zu einer bedarfsgerechten *Selbstorganisation*, die ihren Namen verdient.

Elisabeth Cartolaro trägt im Human Resources Development der Deutschen Telekom AG zur Entwicklung selbstorganisierter Communities, Initiativen und Bildungsangebote bei.