Trigon Themen 02|2022

Transformation als Führungsaufgabe

Hello again! Leitbilder schaffen Orientierung in Transformationsprozessen

Leitbilder können die Transformation von Organisationen großartig unterstützen. Damit sie ihre Motivationswirkung aber auch entfalten können, braucht es ein besonderes Vorgehen, das dies ermöglicht.

Die transformativen Prozesse, die viele Organisationen gegenwärtig durchlaufen, sind mit Herausforderungen verbunden, die oft unter dem Begriff   VUKA  (volatil, unsicher, komplex, ambig) zusammengefasst werden. Im Umfeld bestehende Unsicherheiten führen in Unternehmen vielfach zu unklaren Entscheidungsmechanismen und zu Orientierungslosigkeit. Es ist sicherlich auch diese Suche nach Orientierung, die den Purpose-Diskussionen der letzten Jahre großen Auftrieb gegeben hat. Die motivatorische Bedeutung eines klar erkennbaren Sinns, der mit den eigenen Tätigkeiten in einem Unternehmen verbunden ist, kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden.

Dieser Bedeutung wird aktuell wieder mit der Entwicklung von Leitbildern Rechnung getragen. Damit Leitbilder ihren Zweck erfüllen können, müssen die Prozesse ihrer Erstellung allerdings einige Bedingungen erfüllen. Die erste Frage, die wir uns dabei stellen, betrifft die Zielgruppe, an die sich das Leitbild richtet. Ist es ein primär nach außen gerichtetes Marketing-Tool, das eine gute Darstellung des Unternehmens mit einer klaren Abgrenzung zu den Mitbewerbern hin sein soll, oder richtet es sich vor allem an die eigenen Mitarbeiterinnen und soll diese bei der Bewältigung ihrer Anforderungen durch Arbeit am kulturellen Mindset unterstützen?

Ein innerer Transformationsprozess kann mit einer reinen Marketing-Funktion eines Leitbildes nicht unterstützt werden. Dafür benötigt es drei nach innen gerichtete Funktionen:

  1. Angesichts der notwendigen Arbeitsteiligkeit und Aufgliederung in Abteilungen und Teams rückt der gemeinschaftliche Blick von Mitarbeitern auf das Ganze oft in den Hintergrund. Transformation vollzieht sich aber nie dadurch, dass man innerhalb der bisherigen Abteilungs- oder Kooperationsgrenzen bleibt. Es braucht die Auseinandersetzung mit dem gesamthaften Sinn. Dadurch entsteht Klarheit über den übergeordneten Zweck der eigenen Tätigkeiten. Außerdem wird das Zugehörigkeitsgefühl der Mitarbeiterinnen zur Organisation gestärkt.
  2. Nötig ist auch ein grundlegendes Wertegerüst für die Handlungsebene. Immanuel Kant gab dieses mit seinem Kategorischen Imperativ wieder: „Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.“ In der Praxis sehen wir natürlich, dass uns vorbildliches Verhalten nicht immer gelingt. Wir sehen aber auch, dass wir Verhalten dadurch beeinflussen können, dass wir einen Diskurs über die dem Verhalten zugrundeliegenden Maximen und Werthaltungen führen. Dieser Diskurs muss breit geführt werden.
  3. In Veränderungssituationen sind Zielsetzungen oft noch unklar und bedürfen der weiteren Strategie-Diskussion. Derartige Strategiediskussionen sind oft von unterschiedlichen Zielen und inhaltlichen Vorstellungen geprägt und daher durchaus konfliktreich. Um diese Diskussionen in konstruktiver Form zu ermöglichen, braucht es Einigkeit über die grundlegende Richtung, die die Organisation in Hinkunft einschlagen will. Dabei werden die gemeinsamen Ideale geklärt und Konsens über die langfristige Ausrichtung und die Zielsetzungen des Transformationsprozesses hergestellt.

Um den motivatorischen Charakter dieser drei Funktionen zur Geltung zu bringen, ist die Formulierung des Leitbildes mit seinen drei Bereichen Mission, Werte und Vision ein wichtiger Schritt, aber keinesfalls ausreichend.

Es gibt heute wahrscheinlich nur wenige Organisationen, die nicht irgendwann ein Leitbild erstellt haben. Bei der Frage, wie dieses gelebt wird oder wer es auch nur gut kennt, sieht die Sachlage schon ganz anders aus. Ob und wie ein Leitbild in der Organisation wirkt und damit ihren Transformationsprozess unterstützt, hängt erstaunlich wenig von seiner eloquenten Formulierung ab. Viel entscheidender ist, wie das Leitbild zustande gekommen ist, wer alles daran beteiligt war und in welcher Form es eingeführt wurde.

Es gibt kaum Prozesse in einer Organisation, in denen ein partizipatives Vorgehen bedeutender ist als bei der Gestaltung eines Leitbildes, das seine Wirkung auf die Mitarbeiterinnen haben soll. Gerade in Organisationen mit vielen Mitarbeitern ist deren Einbindung schon zahlenmäßig eine Herausforderung, die viel methodisches Geschick benötigt. Digitale Kanäle haben hier in den vergangenen Jahren neue Möglichkeiten geschaffen.

Einen letzten entscheidenden Punkt bildet die Umsetzungsphase. Um ein Leitbild als wirksamen Begleiter in Transformationsprozessen erscheinen zu lassen, braucht es kulturelle Interventionen (z.B. Culture Hacks), mit deren Hilfe es seine Wirkungen im Arbeitsalltag entfalten kann. Ein Beispiel: Will man mit dem Leitbild die Innovationskultur stärken, so wird es konkrete Experimentierfelder brauchen, damit es nicht bei guten Vorsätzen bleibt, sondern es auch zu tatsächlichem Innovationserleben kommt. Es kann aber auch eine „schräge“  Auseinandersetzung mit dem Thema Scheitern sinnvoll sein, weil Innovieren und Scheitern nahe beieinander liegen.

Die Reize, die das Leitbild setzt, müssen jedenfalls durch Culture Hacks rasch prototypisch umgesetzt werden, damit es seine Wirkung entfalten kann.