Trigon Themen 03|2017

Konflikte bearbeiten? Organisation entwickeln? Beides!

Das Spannungsfeld Mensch und Organisation: systemische Beratung live

Ein einzigartiges Ereignis: Auf einem Symposion demonstrieren die Gründer und Vertreter der wichtigsten Ansätze systemischer Beratung im deutschsprachigen Raum ihre Arbeitsweise anhand einer konkreten Konfliktsituation in einer Organisation!

Arbeiten Sie denn systemisch?, ist eine häufig gestellte Frage an Beraterinnen und Berater beim ersten Kontakt. Beantwortet wird sie meist mit: Selbstverständlich!

Barbara Heitger, Rudi Wimmer, Insa Sparrer, Matthias Varga von Kibéd, Jürgen Kriz, Gerda Volmer, Eckard König, Bernd Schmid, Gunther Schmidt und Friedrich Glasl haben sich gemeinsam an der Universität Witten-Herdecke beim 2. Symposium zur Praxis systemischer Konfliktbearbeitung in Organisationen unter Moderation von Rudi Ballreich folgenden weiterführenden Fragen gestellt: Was meinen Sie mit systemisch? Und Wie drückt sich das in Ihrer Arbeitsweise aus? Ergänzt wurden diese Praxisdemonstrationen mit Vorträgen von Dirk Baecker, Luc Ciompi und Arist von Schlippe.

Ihre Ansätze, Haltungen und grundsätzlichen Vorgehensweisen haben alle Beteiligten in vielen Büchern und Artikeln beschrieben und in täglicher Praxis weiterentwickelt. Insofern ging es nicht darum, theoretische Positionen zu vergleichen, sondern in der praktischen Anwendung anschaulich zu machen, wie in der konkreten Arbeitsweise das Modell sichtbar wird. Selbstverständlich konnten die Referenten in der verfügbaren Zeit von jeweils 90 Minuten nur exemplarisch ihr Vorgehen demonstrieren, ein Gesamtdesign hätte den Rahmen gesprengt. Auf den folgenden Seiten wird skizziert, wie die Einzelnen vorgingen und was auffällig war. Zudem erfolgt eine persönliche, subjektive Würdigung aus Sicht des Autors.

Die Leitfrage: Welche Aspekte einer Beratungssituation kommen in den Fokus – je nachdem, mit welcher systemischen Brille sie betrachtet wird?

Der Ausgangskonflikt

Die Situation wurde zu Beginn des Symposiums mit Schauspielerinnen und Schauspielern dramatisch dargestellt:

 

  • Herr Heimburg ist seit 15 Jahren erfolgreicher Geschäftsführer eines Altenheims in kirchlicher Trägerschaft. Er legt Wert auf Effizienz, Einhaltung von Budgets und Regeln sowie Anerkennung seiner Entscheidungen.
  • Frau Heimburg, seine Ehefrau, leitet den Bereich Verwaltung und Finanzen. Sie unterstützt ihren Mann inhaltlich.
  • Frau Pflug ist seit 1 Jahr Bereichsleiterin Pflege (PDL). Sie bemüht sich seither, bereichsübergreifende Zusammenarbeit, Supervision und zukunftsorientierte Ansätze zu etablieren. Dabei gerät sie immer wieder mit der Führungsphilosophie von Herrn Heimburg in Konflikt.
  • Frau Terra leitet seit mehreren Jahren die therapeutischen Dienste. Sie hat bereits einige Ansätze von Frau Pflug übernommen und unterstützt diese.
  • Herr Koch leitet den Küchenbereich. Es ist ihm bisher gelungen, eine gute Ausstattung seines Bereiches zu erhalten. Von vielen Konfliktthemen sieht er sich wenig betroffen.
  • Pfarrer Weihmann ist seit 20 Jahren Vorsitzender des Stiftungsrates.

 

Das Altenheim stand immer gut da, Herr Heimburg hat gute Arbeit geleistet. Frau Pflug hatte bei ihrer Einstellung vor einem Jahr den Stiftungsrat auch damit überzeugt, dass sie zukunftsweisende Ideen einbrachte.

Die Situation eskaliert, als eine Bewohnerin verschwindet und von Frau Pflug unterkühlt im Keller aufgefunden wird. Die Angehörigen fordern Aufklärung und drohen mit der Presse. Frau Pflug macht Herrn Heimburg für die personelle Unterbesetzung verantwortlich, dieser verweist auf den korrekten Personalschlüssel und sieht Führungsschwächen bei Frau Pflug.

Frau Pflug wendet sich an den Stiftungsvorstand Pfarrer Weihmann, informiert ihn über Missstände und droht mit Kündigung. Pfarrer Weihmann sorgt sich um den Ruf des Hauses und beauftragt ein Beratungsunternehmen.

Die unterschiedlichen Ansätze

Die einzelnen Referenten haben ihre Vorgehensweise jeweils nach einer Einführung mit den Schauspielern in der Realsituation demonstriert. Im Folgenden werden diese Arbeitsweisen mit dem Fokus beschrieben: Wo wird die jeweilige Besonderheit des Ansatzes sichtbar?

Ein umfassender Vergleich der Modelle würde den Umfang eines Handbuchs erfordern, um den Modellen und ihren Autoren gerecht zu werden. Von Anbeginn an war das Setting an der Schnittstelle von Konfliktarbeit und Organisationsentwicklung angelegt. Die spannende Frage war also: Wo werden die verschiedenen Beraterinnen und Berater jeweils ansetzen?

Jürgen Kriz: Personzentrierte Systemtheorie

Vorgehen

Jürgen Kriz entscheidet sich für die exemplarische Darstellung einer Einzelarbeit mit Frau Pflug. Er fasst zusammen, was er von ihrer Sichtweise verstanden hat und klärt, ob es richtig verstanden wurde. Dann bittet er sie, sich die Konfliktsituation innerlich vor Augen zu führen und ihre Empfindungen dazu wiederzugeben. Durch empathisches Fragen, Paraphrasieren und Spiegeln vertieft er die Problemwahrnehmung emotional. Er lenkt die Aufmerksamkeit auf Veränderungen in der metaphorischen Situationsbeschreibung (dunkle Wolke). Dabei fokussiert er auch die Grenzen: Was ist an den Rändern der Wolke? Im weiteren Verlauf der metaphorischen Arbeit betont Jürgen Kriz immer wieder die Aspekte der Veränderung und der Handlungsmöglichkeiten von Frau Pflug: Was können Sie zur Klarheit beitragen? Wie haben Sie das gemeistert? Was wäre ein anderer Blick?

Bereits in der kurzen 15 Minuten-Sequenz wird eine Veränderung der Sichtweise, Emotion und wahrgenommenen Selbstwirksamkeit deutlich. Jürgen Kriz formuliert es so: Man kann nicht darüber reden, ohne dass sich etwas verändert. Mit dieser Veränderung kann ich arbeiten, Ich gehen dabei von unten nach oben vor.

Was ist gemeint? Jürgen Kriz unterscheidet die Prozessebenen körperlich, psychisch, interaktionell, kulturell. In der gezeigten Sequenz beginnt er mit Körperwahrnehmungen und geht weiter zu psychischen Prozessen bei einer der Parteien. Kriz führt aus, dass er analog mit der andern (Haupt-)Partei, Herrn Heimburg, arbeiten würde, um dann weiterzugehen zur interaktionellen und kulturellen Ebene.

Würdigung

Kriz beginnt also im Zentrum des Konflikts, bei einer Person und ihren körperlichen Empfindungen. Er beginnt problemorientiert und lenkt dann die Aufmerksamkeit auf Veränderungen und Lösungsaspekte. Welcher Nutzen wird dadurch geschaffen? Die Hauptpersonen werden persönlich gestärkt, sie lernen über sich und ihren Beitrag zum Gesamtsystem. Die Lösung geht von den Parteien aus.

Insa Sparrer und Matthias Varga von Kibéd: Systemische Strukturaufstellungen

Vorgehen

Erwartungsgemäß arbeiten Insa Sparrer und Varga von Kibéd mit einer Aufstellung. Dabei positionieren die Originale (Vorstand, Geschäftsführer, die vier Bereichsleiter/innen) ihre aus dem Publikum ausgewählten Repräsentanten im Raum. Der Auftrag lautet: Lassen Sie sich überraschen, wo ein passender Platz ist! Ziel ist, das zu bearbeiten, was für jeden Einzelnen wichtig ist. In einer ersten Runde wird die Wahrnehmung aufgenommen. Die Originale verlassen die Bühne und sitzen außen, mit der Option, entweder zuzuhören, ihrem Repräsentanten etwas zu soufflieren oder auch sich selbst einzuwechseln.

Nun verändert Insa Sparrer die Positionierung hin zu einem Oval, das allen Blickkontakt ermöglicht. Veränderungen werden thematisiert. Den Repräsentanten (und indirekt den Originalen) wird die klassische Wunderfrage nach einer ausführlichen Einleitung gestellt. Dabei werden hier in rascher Folge zahlreiche, lösungsorientierte Fragen hintereinander gestellt, eine Technik, die Varga von Kibéd später als sizilianische Familienhypnose bezeichnet. Mit Paraphrasieren und Nachfragen (Was wäre dann anders? Woran würden Sie es merken? Woran noch= Wie würden die anderen reagieren?) werden immer wieder zwei Aspekte herausgearbeitet: die Veränderung und deren drehbuchkonkrete Beschreibung (Könnte ein Ressieur das verfilmen?). An das Verharren in der Wunder-Vorstellung wird dabei immer mal wieder erinnert. Da, wo noch keine Veränderung vorstellbar ist, wird die Zeitspanne weiter in die Zukunft verlegt. Gelegentlich nutzen die Originale die Möglichkeit des Soufflierens.

Schritt für Schritt wird die Möglichkeit des Andersseins erforscht. Verhärtungen weichen etwas auf und kleine Elemente der Hoffnung keimen auf. Zum Schluss übernehmen die Originale wieder ihre Rolle von ihren Repräsentanten. Die Stimmung und der Umgang haben sich spürbar gewandelt, wenngleich die konkreten Schritte (gegenseitig grüßen, mal etwas anderes kochen, mal anerkannt werden) noch keine Bearbeitung sachlicher Differenzen beinhalten.

Würdigung

Sparrer und Varga von Kibéd halten sich mit Problemen nicht auf, sondern steigen direkt in Lösungen und deren emotionale Bewertung ein. Dabei arbeiten sie mit dem Team, was dem Prozess schnell Geschwindigkeit verleiht. Der Fokus des gewählten Ansatzes besteht eben darin, die Möglichkeit einer anderen Art gemeinsamer Kommunikation sichtbar zu machen und die verletzten Grundbedürfnisse auszusprechen sowie das gesamte System (bzw. einen wesentlichen Teil) in die Lösungssuche einzubeziehen. Damit folgen Sparrer und Varga von Kibéd ihrem Einstiegssatz: A ist dann systemischer als B, wenn es in höherem Maß erlaubt, von Eigenschaftszuschreibungen abzusehen und sich Relationen, Strukturen und deren Veränderung sowie die Regularien und Choreografien dieser Veränderung zuzuwenden. Bemerkenswert ist dabei die ebenso konsequente wie vielfältige Lenkung der Wahrnehmung auf positive Veränderungen und deren präzise Beschreibung.

Rudi Wimmer und Barbara Heitger: Die neuere Systemtheorie in der Organisationsberatung

Vorgehen

Heitger und Wimmer betonen die Bedeutung einer guten Auftragsklärung mit Pfarrer Weihmann. Im Gespräch klären sie Situationssicht, Ziele, Sorgen und Positionierung des Auftraggebers. Den erreichten Zwischenstand machen sie dem Auftraggeber mit der Methode des Reflecting Team zugänglich. Dabei arbeiten sie persönliche Aspekte (enttäuschtes Wollen aller drei) ebenso heraus wie organisationale (Das verteil  sich über drei Hierarchieebenen …) und unterscheiden einen Autoritätskonflikt und einen Weiterentwicklungskonflikt. Weihmann wird seine Verantwortung deutlich gemacht. Wimmer scheut dabei auch keine drastifizierenden Elemente (Das ist Erpressung…).

Als Ergebnis dieses (natürlich stark verkürzten) Erstgesprächs wird ein Gespräch der beiden Berater gemeinsam mit Auftraggeber Weihmann und Geschäftsführer Heimburg geführt. Heitger formuliert: Wir wollen uns gemeinsam ortskundig machen.

Im Verlauf wird Heimburg Gelegenheit gegeben, seine Konfliktsicht darzustellen, Wimmer und Heitger nehmen das empathisch auf. Heitger fragt gezielt nach Unterschieden: Wann war es besser, wann schlechter? Tendenziell fragt Wimmer dabei eher problemexplorierend, Heitger eher lösungsexplorierend nach. Im Verlauf sieht sich Weihmann genötigt, die Gegensicht von Frau Pflug darzustellen, nimmt insofern also eine stärkere persönliche Rolle wahr. Damit werden inhaltliche Meinungsunterschiede zwischen Weihmann und Heimburg sichtbar.

Würdigung

Wimmer/Heitger gehen top-down vor und betonen die persönlichen und organisationalen Führungsaspekte. Das trägt zur Übernahme von Rollenverantwortung bei Weihmann und Heimburg bei, stützt damit aber auch die Hierarchie. Inwieweit der systemische Effekt, dass Pfarrer Weihmann in Abwesenheit von Frau Pflug deren Sicht darstellt und verteidigt, von Heitger und Wimmer intendiert war, ist nicht bekannt, zumindest haben sie es nicht aktiv besprochen.

Interessant ist, dass eine aktive Einbeziehung von Frau Pflug in Frage gestellt (Heitger) oder sogar eher verneint (Wimmer) wird. Die beiden obersten Führungsrollen werden damit sehr betont (Wimmer: Heimburg war dafür noch nicht bereit) mit dem Risiko, die Konfliktpartei Pflug aus dem Blick zu verlieren und den weiteren Weg von der Beweglichkeit nur einer Partei, nämlich Heimburg, abhängig zu machen. Die im Konzept vorab betonte Eigenverantwortung der handelnden Personen in der Beteiligung am cokreativen Prozess wird damit einerseits klar sichtbar, aber (zunächst) nur bei den Top-Führungskräften.

Bernd Schmid: Klärungsprozesse mit dem Dreieck: Person, Rolle und System

Vorgehen

Bernd Schmid legt den Fokus auf das Lernen: Die Klienten sollen befähigt werden, mit dieser Art des Lernens selbstständig weiterzuarbeiten.Schmid erwägt, wenn Pflug und Heimburg so verbiestert bleiben, getrennte Einzelcoachings, die zu individueller Klärung führen und den Lernprozess des Teams unterstützen sollen.

Er führt das Gespräch mit Pfarrer Weihmann, wobei Heimburg und Pflug quasi als Zuhörer dabeisitzen, ins Gespräch aber nur wenig einbezogen werden. Ziel ist es, einerseits mit Weihmann eine Vereinbarung für einen Lernprozess zu erzielen und parallel Pflug und Heimburg zu informieren und Lernen zu ermöglichen: Ich kann nur helfen zu lernen.

Er arbeitet die inhaltliche Unterschiedlichkeit und den Umgang miteinander als Themen heraus. Ziel ist es herauszufinden, ob eine Zusammenarbeit möglich ist. Dazu schlägt er vor, mit allen dreien konkrete Steuerungsprobleme aus der Sicht von Pflug bzw. Heimburg zu bearbeiten. Dabei soll eruiert werden, wie die unterschiedlichen Vorstellungen und Lösungsansätze dazu aussehen, welche Rollen- und Vorgehensvorstellungen bestehen. Hier sollen unter Moderation Gemeinsamkeiten entwickelt werden. Dafür plant Schmid vier Mal einen halben Tag. Dieses Modell soll dann von den Beteiligten eigenständig auf andere Situationen ausgeweitet werden. Auch hier soll zunächst vom Moderator mit nur einer Person gesprochen werden, die anderen hören zu: Wen brauchen Sie dazu? Was haben Sie dazu schon getan?, Welchen Beitrag erwarten Sie, Wer kann das klären? – mit einem Fokus auf konkrete Ansichten und Verantwortung. Beispielsweise könnte daraufhin Heimburg die schöpferische Macht von Frau Pflug akzeptieren ohne seine Hoheitsmacht in Gefahr zu sehen.

Am Ende werden Pflug und Heimburg gefragt, ob sie das Vorgehen verstanden haben. Heimburg hat es noch nicht verstanden, lässt sich aber auf eine Duldung ein. Ziel ist es, die wechselseitigen Rollenverständnisse kennen zu lernen.

Würdigung

Ähnlich wie Kriz beginnt Schmid bei den Einzelpersonen, jedoch mit einem anderen Zugang. Konsequent verfolgt er den Ansatz, das Lernen der Personen über sich, die eigenen Erwartungen und das eigene Verhalten sowie die Erwartungen und Sichtweisen der anderen Beteiligten zu fördern. Dies wird durch strukturierende Modelle ergänzt. Insofern stehen die (sachbezogene) Interaktion im System, deren Verständnis und neue Vereinbarungen im Vordergrund. Auch er geht dabei an Einzelthemen jeweils von der Problembeschreibung hin zur Lösung, emotionale Anteile lässt er weitgehend außen vor: Ich bitte Sie, Abstand von Emotionen zu nehmen. Immer wieder betont Schmid dabei das Experimentelle, das Sich-Einlassen und die Eigenverantwortung.

Gerda Volmer und Eckard König:  Personale Systemtheorie als Grundlage der systemischen Organisationsberatung

Vorgehen

Volmer und König formulieren als Ausgangsfragen: Was sind die Faktoren, die uns zu dieser Situation geführt haben?. Welche Ansatzpunkte für eine Intervention ergeben sich daraus?

Im Vorfeld nennt König als mögliche Ansatzpunkte:

  • Wechsel von handelnden Personen
  • Veränderung der kognitiven Deutung der Personen
  • Veränderung der emotionalen Deutung
  • Veränderung sozialer Regeln, zum Beispiel Besprechungsregeln
  • Abänderung von Regelkreisen durch deren Verdeutlichung
  • Veränderung der materiellen Umwelt oder der Definition der Systemgrenzen
  • Bewusstmachen der Entwicklung des Systems und der Narrationen dazu

 

Im Fall beginnt auch Gerda Volmer mit der Auftragsklärung und betont drei Ziele aus ihrer Sicht: Erhaltung der guten Reputation, Halten beider Führungskräfte und christlicher Umgang miteinander. Aus der Vielzahl möglicher Ansätze entscheiden sich König und Volmer, eine umfassende OE-Diagnose mit dem Gesamtsystem zu demonstrieren. Hier werden die verschiedenen Stakeholder (Vorstand, Mitarbeiter, Bewohner, Ehrenamtliche, Angehörige …) befragt und die Antworten anschließend geclustert. Die Ergebnisse werden dem Leitungsteam zurückgespiegelt (Survey and Feedback). Positives wird gewürdigt, Kritisches nicht aufgenommen (Sonst verhaken Sie sich wieder ….). Die Konfliktsituation wird dabei bewusst außen vor gelassen (Es gibt hier keinen Konflikt …) und stattdessen Potenziale und Lösungsideen in den Blick genommen. Volmer betont, dass etwaige persönliche Äußerungen auf Karten zwar mit dem Betroffenen besprochen würden, aber anschließend von diesem eigeninitiativ außerhalb des Prozesses weiterzuverfolgen seien. Interventionen zielen darauf, sich auf einige Maßnahmen zu einigen und diese gemeinsam umzusetzen. Die Wertschätzung des Positiven wird betont. Nächste (hier nicht mehr ausgeführte) Schritte wären dann die Einrichtung von Projektgruppen, Vereinbarung und Überprüfung von Meilensteinen.

Würdigung

Der Ansatz liegt eindeutig beim Gesamtsystem und auf der Sachebene. Eckard König legte im Rahmen seiner Präsentation eine größere Anzahl möglicher Interventionsansätze dar und Gerda Volmer betonte am Ende noch einmal: Es gibt tausend Möglichkeiten!

Im gezeigten Vorgehen wurde die Konfliktsituation zwischen zwei Führungskräften außen vor gelassen. Im Verlauf der organisationsbezogenen Intervention entzündeten sich die Spannungen an den einzelnen Sachthemen immer wieder aufs Neue (Pflug: Wollen wir den Konflikt lösen mit einer Bergpredigt? – Volmer: Es geht gar nicht um Konfliktlösung, es geht darum, wie sie miteinander umgehen.) Königs/Volmers Zugang, die verschiedenen Perspektiven und Anliegen des sozialen Systems aufzunehmen, ist sicher hilfreich, um eine breitere Sichtweise zu entwickeln. In der vorliegenden Konstellation und Eskalationsstufe schien es so, als ob die Hauptbetroffenen zu sehr gefangen waren, um diese neuen Blickwinkel einnehmen zu können.

Gunther Schmidt: Grundlagen der hypnosystemischen Organisationsberatung

Vorgehen

Schmidt beginnt mit der Motivation für Veränderung: Da eine intrinsische Motivation nicht vorauszusetzen ist (Der Andere muss sich ändern!), spricht er mit dem Auftraggeber als Sinnstifter, um so Sinn und Notwendigkeit der Veränderung deutlich zu machen. Er betont: Es reicht nicht zu wissen, wo es brennt, wenn man nicht weiß wohin es gehen soll.

Im zweiten Schritt lässt er Weihmann sowohl GF Heimburg wie PDL Pflug in getrennten Gesprächen Ziel und Rahmen der Konfliktbearbeitung mitteilen. Dabei achtet er darauf, Wertschätzung zu geben und zu betonen, dass es sich um verständliche Motive handelt.

Ich möchte Ihre guten Gründe und Bedürfnisse verstehen- Schmidt positioniert sich dabei als Garant dafür, dass die Anliegen beider Parteien besprochen und berücksichtigt werden. Unterschiede seien notwendig, man müsse aber eine Form der Kommunikation finden und zusammenarbeiten. Nach Erhebung der unterschiedlichen Anliegen fragt Schmidt auch nach positiven Erfahrungen in der Vergangenheit.

In einem dritten Schritt arbeitet Schmidt mit Heimburg, Pflug und Frau Heimburg, da aus seiner Sicht das gesamte System betroffen ist. Dabei betont er mehrfach das gemeinsame Interesse, sich für das Unternehmen einzusetzen und die Anerkennung dieses Engagements. Unermüdlich spricht er den Einsatz und die Flexibilität beider Parteien an, auch wenn Sie das wechselseitig nicht so sagen würden. Er baut Brücken, um beide Sichtweisen in Balance zu setzen und wechselseitig die Beiträge zu achten. Dabei spricht er häufig Frau Heimburg an und lässt Herrn Heimburg und Frau Pflug zuhören. Abschließend würdigt er, dass es beiden gelungen ist, einander zuzuhören.

Würdigung

Gunther Schmidt achtet sehr darauf, folgende Elemente immer wieder zu betonen:

  • Die Fähigkeiten, miteinander zu arbeiten, wurden schon gezeigt, sind also vorhanden.
  • Sichtweisen dürfen und sollen sogar unterschiedlich sein.
  • Jeder leistet sehr wertvolle Beiträge.
  • Jeder hat die Freiheit, das vorhandene Potenzial zu nutzen.

 

Dabei nimmt er die Hauptparteien längere Zeit aus dem Spiel und spricht mit Frau Heimburg, wodurch die Parteien quasi gezwungen sind, zuzuhören ohne zu antworten (Ich habe die Hoffnung, dass sie das hören!). Er übernimmt hohe Redeanteile und lenkt dadurch die Aufmerksamkeit der Parteien auf für die Lösung hilfreiche Sichtweisen. Damit schafft er einen vielfältig nutzbaren Interpretationsrahmen, in dem dann die eigentliche inhaltliche Arbeit geschehen kann. Zwischendurch wirken die Parteien aber auch abgekoppelt, es ist nicht klar, inwieweit sie diese angebotenen Sichtweisen aufnehmen und verarbeiten. In den – seltenen – Beiträgen der Hauptparteien werden deren ursprüngliche Themen genannt (Pflug: Für mich ist eine Veränderung der Führungskultur interessant!), neue, verbindende Aspekte werden von diesen selbst (noch) nicht angesprochen bzw. bezweifelt (Pflug: Und Sie meinen das wirklich ernst, dass wir schon gut miteinander kommunizieren?). Schmidt lädt ein, das eigene Verhalten zu beobachten: Ich will Sie nicht vergattern.

Friedrich Glasl: Die Praxis des entwicklungsorientierten Systemansatzes

Vorgehen

Um als letzter der Beitragenden nicht noch ein Auftragsklärungsgespräch zu zeigen, erläutert Glasl zwar die Schritte in der Auftragsklärungs- und Konfliktorientierungsphase, springt dann aber zu einem späteren Zeitpunkt im Prozess.

Er beginnt mit allen Beteiligten den Konfliktprozess zu rekonstruieren unter Nutzung metaphorischer Methoden. Dabei werden die konfliktrelevanten Ereignisse mit den jeweils Beteiligten in einer Zeitreihe dargestellt. Damit wird die statische Sicht in eine dynamische Betrachtung aufeinander folgender Ereignisse verwandelt. Nach dieser Gesamtsicht bittet Glasl: Beschreiben Sie, welches Gefühl bei den Ihnen wichtigen Ereignissen auftritt und markieren Sie diese Ereignisse! Einige Schwerpunkte werden deutlich. Glasl bittet dann, die jeweilige Situation in der Metapher des Wetters zu beschreiben, zunächst für frei gewählte (somit individuell unterschiedliche) Situationen, dann fokussiert auf die meistgenannte Situation (Auseinandersetzung Heimburg-Pflug im Büro Heimburg). Für diese Situation bittet Glasl um eine Beschreibung: Wie haben Sie das erlebt? Dabei werden auch die jeweiligen Gefühle erfragt. Anschließend fordert Glasl abwechselnd zum Perspektivwechsel auf: Wie hat sie das aus Ihrer Sicht erlebt? Wie hat er das erlebt? Relativ rasch wird dabei das jeweilige Innenleben für die anderen deutlich. Der nächste Schritt, so Glasl, wäre eine Mikroanalyse dieser Situation, um die Muster zu erkennen, wie beide gegenseitig das unerwünschte Verhalten beim anderen hervorrufen. Dabei würde zunächst sichtbar, wie jeder Beiträge zum Konflikt leistet und welches alternative Verhalten möglich wäre.

Weiterer Verlauf – nach Konfliktklärung – wäre dann die Bearbeitung der Sachthemen der Weiterentwicklung der Organisation.

Würdigung

Intensiver als andere steigt Glasl in die Erhellung der Facetten der Konfliktsituation ein. Sein Ziel ist es, den Beteiligten zu ermöglichen, einerseits den eigenen Beitrag in der Konfliktdynamik zu erkennen, andererseits auch das Innenleben der anderen Partei(en) kennen zu lernen und soweit wie möglich im Perspektivwechsel zu verstehen. Dass die Parteien die Sicht des anderen verstehen und dies auch aussprechen, beinhaltet erste Schritte von Akzeptanz und Wertschätzung (nicht: Übereinstimmung) und dient als Basis für Verhaltensänderung.

Zusammenschau: Was darf man mitnehmen?

Kriz, Bernd Schmid, Sparrer/Varga von Kibéd, Gunther Schmidt und Glasl arbeiteten mit dem Veränderungspotenzial, das in den einzelnen Menschen vorhanden, aber im Konflikt zunächst nicht mehr zugänglich ist. In der Wahl des Settings der ersten Intervention unterschieden sie sich darin, mit Einzelnen zu arbeiten (Kriz, B. Schmid), dem Gesamtteam (Sparrer/Varga von Kibéd) oder Kombinationen daraus (Glasl, G. Schmidt). Im Fokus waren sie sehr unterschiedlich ausgerichtet auf Problem (Glasl, Kriz, Schmid, Schmidt) oder Lösung (Sparrer/Varga von Kibéd) und auf das Einbeziehen von Gefühlen und Bedürfnissen. Allen ging es darum, den Einzelnen und auch den sozialen Systemen (Team, Führung,…) wieder eine Zugangsmöglichkeit zu anderen Perspektiven und Möglichkeiten zu geben.

Erlebbar wurde, dass die Protagonisten dadurch in eine wirksame Selbststeuerung und in erweiterte Perspektiven finden können. Aus diesen auf die Personen bzw. das Team bezogenen Interventionen kann eine neue Basis für eine Kooperation hinsichtlich nötiger Organisationsveränderungen entstehen, wobei es – dies führten auch einige (explizit Kriz,

Glasl, Schmid) Referenten aus – hierfür weitere organisationsbezogene Maßnahmen braucht.

Deutlich davon unterscheidbar mit Schwerpunkt auf der Organisation und ihren Erfordernissen arbeiteten Heitger / Wimmer und König / Volmer. Heitger / Wimmer setzten auf die Bedeutung und den starken Einfluss von Führung und investierten in Qualifizierung und Verantwortungsübernahme bei den Führungspersonen.

Volmer / König nahmen die Konflikte zum Anlass, in einen OE-Prozess einzutauchen.

Die Reaktionen der Rollenspielenden auf diesen Zugang zeigten an manchen Stellen, dass dieser OE-Prozess durch ungelöste Konflikte wesentlich behindert werden kann.

Unabhängig vom Modell fiel bei Varga von Kibéd und Insa Sparrer, aber auch bei Jürgen Kriz und Gunther Schmidt die große Sorgfalt in der Wortwahl auf. Jeder Satz ist eine kleine Intervention, eine bewusste Lenkung der Aufmerksamkeit.

Bei Gerda Volmer, Eckard König und Friedrich Glasl beeindruckte die umfassende diagnostische Sicht, bei Glasl darüber hinaus die sehr gezielte Verbindung der Konfliktbearbeitung mit der Organisationsentwicklung.

Bei Glasl können die Parteien ein umfassendes Verständnis ihres eigenen Verhaltens und dessen Wirkung im Konflikt mitnehmen, bei Insa Sparrer und Varga von Kibéd brauchen sie das (vielleicht) gar nicht.

 

Literatur

Videodokumentation der Vorträge und Demonstrationen: Concadora-Verlag Stuttgart 2017.

Alle Referenten haben ihre Modelle und Ansätze umfassend publiziert, die entsprechenden Werke sind über die üblichen Suchwege erhältlich.