Trigon Themen 03|2021

Emergenz: Das Entstehende sehen und nutzen

Strategien – die neuen Spielregeln

Der Plan darf nicht stärker sein als die entgegenkommende Realität.

Was es jetzt braucht, ist Handeln aus dem Hier und Jetzt und Denken in einem strategischen Werterahmen. Wahrzunehmen, was uns am Weg entgegenkommt und gleichzeitig auch eine längerfristige Orientierung zu sichern, ist die Kunst gelingender Strategiearbeit.

Manager haben sehr unterschiedliche Zugänge zur Arbeit mit Strategie. Mit zwei Originalzitaten von Vorständen möchte ich hier die Bandbreite der Möglichkeiten skizzieren.

 

Im ersten Beispiel werden die zu erreichenden Ziele bewusst offen gelassen und nicht festgelegt. Strategisch geführt wird über grobe Zukunftsbilder und eine engagierte Unternehmenskultur.

 

Im zweiten Beispiel wird die Strategieentwicklung mit smarten Zielen, und konkreten Maßnahmenplänen für die nächste Periode durchgeplant und gestaltet. Geführt wird hier über Planung und Steuerung. Weder das eine noch das andere ist richtig oder falsch. Zwischen den beiden Polen gilt es, einen stimmigen und authentischen Weg für die eigene Organisation zu finden.

 

Offenheit stärken

Die Offenheit eines emergenten Zugangs ist für viele betriebswirtschaftlich geprägten Führungskräfte schwer auszuhalten. Viele wünschen sich Klarheit für ihre Organisation. Gefordert werden scharfe Analysen, smarte Ziele und eine belastbare Strategie. Je turbulenter und unsicherer die Rahmen-bedingungen sind, je unberechenbarer Wettbewerb und Kunden werden, desto stärker braucht es einen agilen und emergenten Zugang zur Strategie-arbeit.

Widerspruch auflösen

Eine klare strategische Ausrichtung zu formulieren und gleichzeitig Wert darauf zu legen, was entsteht, klingt fürs Erste nach einem Widerspruch. Strategien beschreiben einen längerfristig eingeschlagenen Weg. Emergenz bedeutet darauf zu achten, was im Agieren des Hier und Jetzt entsteht. Erfolgreiches Management bedeutet heute, die Arbeit an der Strategie eng mit diesem agilen Handeln zu verknüpfen. Dabei ist es wichtig, zwei Zeit-horizonte zu differenzieren – den längerfristig strategischen und den kurzfristigen Rahmen für agiles Handeln.

Rahmen schaffen

In einem ersten Schritt wird strategische Orientierung erarbeitet. Mit dieser wird klar, welche Bedarfe unsere Organisation bei den Kunden deckt, welchen Nutzen wir stiften und wie wir uns in diesem Feld positionieren. Dieser Rahmen definiert auch unsere Werte und Haltungen. Wir sind uns klar darüber, was uns wichtig ist, was wir nicht wollen und auch, wo ethische und moralische Grenzen liegen.

Experimentkultur pflegen

Emergenz in der Strategiearbeit bedeutet, in einem ersten Schritt diesen Rahmen zu definieren – das kann ein Themenfeld oder ein grobes Ziel sein. Innerhalb dieses Rahmens wird in Schritten und Etappen gedacht und gehandelt. Man agiert, evaluiert, reflektiert und plant die nächsten Schritte. So tastet man sich vor. Die obenstehende Abbildung zeigt diese Vorgehensweise.

Auf Zufälle achten

In einer lebendigen Unternehmenskultur werden Wahrnehmungsfähigkeit und Achtsamkeit für das Entstehende geübt und gefördert. Es geht darum, nicht nur das Offensichtliche zu sehen, sondern auch zu realisieren, was es bedeuten kann. Das was uns im Tagesgeschäft entgegenkommt sind Signale für die weiteren Entwicklung. Nicht selten entstehen große Würfe aus diesen Zufällen – wichtig ist, dass diese überhaupt wahrgenommen werden können.

Reflektieren ermöglichen

Die Grundlage für erfolgreiche emergente Strategien sind Reflexion und Feedback. Das Entscheidende ist nicht, dass wir nach perfekten Plänen arbeiten. Wichtig ist vielmehr, dass wir die Gespräche dazu nutzen, das Lernen in unserer Organisation anzuregen und zu beschleunigen. Der langfristige Erfolg hängt davon ab, ob es den Führungskräften und MitarbeiterInnen einer Organisation gelingt, ihre gemeinsamen Denkmodelle und Grundannahmen über Zukunftsfragen abzustimmen und anzupassen. Strategieprozesse werden somit auch zum Lernprozess für die Mitarbeitenden und die Organisation.

Systemebenen integrieren    

Strategiearbeit braucht „Hierarchie“ – nicht im Sinne von Machthierarchie, sondern im Sinne des Managements unterschiedlicher Komplexitätsniveaus und Zeithorizonte. Das bedeutet aber auch, dass Strategieprozesse, die ausschließlich top-down angelegt sind, kaum mehr funktionieren können. Wir benötigen die reflektierte Erfahrung der operativen Führungskräfte und MitarbeiterInnen. Statt der traditionell üblichen Methode von Wasser-fallkonzepten (hierarchisch kaskadiert) arbeiten wir deutlich erfolgreicher mit Gegenstromkonzepten indem wir Begegnungsräume zwischen den Systemebenen gestalten.

Auf einen Blick

Strategiearbeit dient dazu, besser zu verstehen, wo wir stehen (Awareness), klar zu werden, wohin wir uns entwickeln können (Direction), die Positionen zwischen den Schlüsselpersonen abzustimmen (Alignment) und die operative Handlungsfähigkeit sicherzustellen (Commitment).