Trigon Themen 03|2023

Resilienzentwicklung in Organisationen

Das Potenzial von kreislauffähigen Geschäftsmodellen enkelgerecht & resilient

Resiliente und verantwortungsvolle Unternehmensgestaltung wird maßgeblich durch die Art unserer Geschäftsmodelle geprägt. Kreislauffähigkeit ist eine Perspektive, die sich lohnt, um Chancen zu erkunden und die Zukunftsfähigkeit von Unternehmen auszubauen.

K risensituationen durch Lieferengpässe, Einbrüche im Kaufverhalten, Personal engpässe sowie starke Preissteigerungbringen die Zukunftsfähigkeit bestehender Geschäftsmodelle wieder stärker in den Fokus. Der EU Green Deal mit verpflichtenden Umwelt-Berichtsvorgaben ab 2024 bringt eine zusätzliche Verschärfung der Situation.

Nimmt man diese Zeichen ernst, ist es für Unternehmen höchst an der Zeit, ihre Geschäftsmodelle radikal zu hinterfragen. Kreislauffähige Geschäftsmodelle ermöglichen einen Perspektivenwechsel, um Abhängigkeiten zu reduzieren, bestehende Kompetenzen und Ressourcen neu zu nutzen und so die Anpassungsfähigkeit zu steigern. Dieser Ansatz braucht jedoch vor allem eines: eine radikale Änderung des linearen Mindsets, das sich in den letzten Jahrzehnten etabliert hat – hin zu einem zirkulären und ganzheitlichen Denken. Denn gerade hier liegen langfristige Ertragspotenziale.

4 Zugänge für kreislauffähige Geschäftsmodelle (Geissdoerfer et al, 2020)

Zugang 1: Geschäftsmodell der Kreislaufführung

Dieses Geschäftsmodell hat zum Ziel, dass Materialien und Energie möglichst lange im Prozess wiederverwendet, wiederaufbereitet oder recycelt werden. Die Verpackungsindustrie im Bereich Papier und Kunststoff arbeitet seit Jahrzehnten an Ansätzen zu kreislauffähigen Geschäftsmodellen. Das Schließen von Kreisläufen birgt jedoch noch großes Potenzial. Konkret zeigte sich das zum Beispiel bei einer Strategieklausur mit einem Industrieunternehmen welches bisher noch wenig intensive Anstrengung in Richtung Kreislaufführung unternommen hatte. Der Fokus lag nur auf Effizienz und technologischer Innovation. Es war bald
klar, dass diese Perspektive noch nie konsequent eingenommen wurde – völlig neue Potenziale taten sich auf.

Ein weiteres Unternehmen, hat im Rahmen einer Forschungskooperation mit einer Universität ein
Verfahren entwickelt, um Industriestaub so aufzubereiten, dass wieder reine Rohstoffe nutzbar sind. Bisher wird der Staub weit transportiert, um ihn für teures Geld zu deponieren. Ziel ist es, ein eigenes  Unternehmen zu gründen, um diese Aufbereitung auch anderen Unternehmen anzubieten. Auch bei der Energieversorgung zeigen sich große Potenziale durch Kreislaufführung – ein Stahlwerk beispielsweise, das mit seiner Abwärme das angrenzende Wohnviertel in einer Stadt versorgt
.

Zugang 2: Geschäftsmodell der Lebensverlängerung

Dieses Geschäftsmodell sieht vor, dass die Lebensdauer von bestehenden Anlagen durch Upgrades, länger haltbare Materialien, Reparatur etc. verlängert wird. Natürlich knabbert dieser Ansatz an der Identität von fast allen produzierenden Unternehmen, da er eine direkte Konkurrenz ist zu dem vorherrschenden Geschäftsmodell, neue Maschinen zu entwickeln und zu verkaufen. Bei einem Anlagenbauunternehmen beispielsweise wurden Upgrades bisher ausschließlich zur Kundenbindung forciert und eher stiefmütterlich behandelt. Besonders während der COVID Pandemie hat sich das Blatt gewendet. Während der Neumaschinenverkauf radikal einbrach, haben Upgrades und Ersatzteilverkäufe das Unternehmen in der Krise stabilisiert. Plötzlich wurde in der Krise aus dem Nebenerwerb der Haupterwerb. Als Learning wurde nun ein zweites Geschäftsmodell etabliert. Die Kreislaufführung gibt diesem Ansatz noch eine neue, zukunftsorientierte Perspektive – im Sinne von Resilienz UND Enkelgerechtigkeit. Aus bisherigen Schwächen entwickeln sich neue Stärken – langgediente Mitarbeitende brillieren nun mit ihrem Altmaschinen Know-How, neue unternehmerische Perspektiven entstehen durch die Entwicklung von pragmatischen und kreativen Lösungen, abseits standardisierter Neumaschinenprozesse.

Zugang 3: Geschäftsmodell der Nutzungsintensivierung

In diesem Geschäftsmodellansatz wird die Nutzungsphase durch Sharing Economy intensiviert. Dies wird vor allem durch Miet- oder Leasingmodelle ermöglicht. Blicken wir auf potenzielle Geschäftsmodelle, so zeigen sich diese vor allem durch das Etablieren von Sharing-Plattformen. Eine weitere Nutzungsintensivierung ergibt sich durch Flächen für PV Anlagen oder Geothermie. Ein gemeinnütziger Wohnbauträger nutzt beispielsweise die Dachflächen der Gebäude und stellt die Energie zu einem günstigeren Preis den Mietern zur Verfügung. Gerade in Zeiten von Versorgungsunsicherheit und hohen Energiekosten ein sinnvolles Modell .

Zugang 4: Geschäftsmodell der Dematerialisierung

Dieser Geschäftsmodellansatz ersetzt materielle Güter durch digitale Geschäftsmodelle. Viele Start-ups zielen darauf ab, einzelne Prozessschritte zu digitalisieren und Ressourcen dadurch einzusparen. Im internationalen Anlagenmaschinenbau können vor allem Online-Inbetriebnahmen und Online-Help Desks besonders stark punkten. Durch radikale Vereinfachung der Bedienung der Anlagen, Visualisierungen, dislozierten Zugriff auf alle Daten und online Begleitung entstehen neue Ansätze, die sich auch positiv auf den Fachkräftemangel auswirken. Dies schafft Geschäftsmodelle für viele IT- und Dienstleistungsunternehmen, die diese Transformation unterstützen.

Nicht zukunftsfähige Geschäftsmodelle konsequent sterben lassen

modelle konsequent sterben lassen Wenn wir uns mit neuen Ansätzen beschäftigen, müssen wir auch ehrlich und mutig hinschauen, was wir nicht mehr tun und konsequent sterben lassen. Je früher wir in der Lage sind, dies mit aller Offenheit anzusprechen und Maßnahmen zu ergreifen, desto besser können wir diesen Realitäten strukturiert und resilient begegnen.