Trigon Themen 03|2023

Resilienzentwicklung in Organisationen

Resilienz trainieren wie einen Muskel

Wie in jeder Disziplin können wir auch im Umgang mit Gegenwind und Stürmen besser werden. Dass dieser Kompetenzaufbau gelingt, wird in BANI-Zeiten zur unverzichtbaren Führungsaufgabe.

In unserer „BANI“-Welt (brittle, anxious, non-linear und incomprehensible) der permanenten tiefen Umbrüche wird psychologische Resilienz zur gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Basiskompetenz. Sie ist wie alle Kompetenzen höchst unterschiedlich verteilt. Genetik, frühkindliche Entwicklung, Traumata und vieles mehr spielen dabei zusammen. Glücklicherweise ist sie – wie alle Kompetenzen – auch trainierbar. Führungskräfte haben eine entscheidende Verantwortung für den Kompetenzaufbau im Team und ein entwicklungsförderliches Umfeld.

Das Schlüsselwort in diesem Zusammenhang: Neuroplastizität.
Unser Gehirn verändert sich ein Leben lang, abhängig davon, wie wir es nutzen. Für resiliente Reaktionen wesentlich ist die Hirnregion „präfrontaler Cortex (PFC)“. Sie trägt maßgeblich dazu bei, wie wir auf unerfreuliche Ereignisse antworten.

Drei Tendenzen lassen sich dabei unterscheiden:

  • Rigidität, also ein starres Festhalten am Bisherigen und Unterdrücken neuartiger oder widersprüchlicher Informationen.
  • Chaos, in dem die bisherigen Strukturen und Sicherheiten fortgespült werden, ohne dass sich eine tragfähige
    neue Form oder Übergangslösung etablieren konnte.
  • Integration, die Bisheriges und  Neues so miteinander verbindet, dass im Idealfall nicht nur ein Systemerhalt möglich wird, sondern ein Kompetenzzuwachs.

Integration ist dabei das Grundprinzip psychischer Gesundheit und Heilung schlechthin. Die Fähigkeit, schmerzlichen und herausfordernden Ereignissen so zu begegnen, dass wir letztendlich an ihnen wachsen, und neue neuronale Verbindungen etablieren macht uns resilient.

Mindfulness – die wache, wohlwollende Ausrichtung unserer Aufmerksamkeit
ist eines der mächtigsten Tools für Neuroplastizität, das die heutige Wissenschaft kennt. Sie stärkt direkt den präfrontalen Cortex und damit verbundene Hirnstrukturen und ermöglicht es unserem Gehirn, flexibler auf Situationen zu antworten, die uns triggern und resilientere Strukturen auszubilden. Achtsame Führungskräfte können sich dieses Prinzip über drei integrative Schleifen zunutze machen. Jede von ihnen trainiert ganz unmittelbar die psychologische Resilienz der Beteiligten.

Integrationsschleife 1: Innen
Unter Stress entkoppelt unser kognitiv dominierter Neocortex von den tieferliegenden Hirnarealen des somatischen (körperbezogenen) Gehirns. Der PFC hat hier die Aufgabe, die beiden Systeme wieder zusammenzuführen. Das können wir zielgerichtet durch Monotasking und Achtsamkeitstechniken wie Meditation unterstützen. Dabei richten wir unsere volle Aufmerksamkeit auf unsere Körper- und  Sinneswahrnehmung, z.B. auf unseren Atem, unser Geschmacksempfinden oder unsere Gehbewegung. Wenn wir uns wieder spüren, ist das das beste Zeichen, dass der Stress nachlässt. Damit einher geht ein klareres Bild von unseren inneren Abläufen. Wir erhalten mehr Einblick in das Zusammenspiel von Gedanken, Emotionen und Verhaltensweisen, die in Stresssituationen in uns ablaufen. Mit zunehmender Übung lockert sich dadurch der feste Klammergriff unserer eingefahrenen Denk- und Verhaltensmuster – wir können ungewohntes Neues geschmeidiger in die Strukturen unserer neuronalen Netzwerke integrieren.

Gut integrierte Führungskräfte stehen sich selbst und ihrem Team in herausfordernden Zeiten besser zur Verfügung. Sie sind insbesondere gelassener, empathischer, ambiguitätstoleranter (können also besser mit Mehrdeutigkeit und Unsicherheit umgehen) und reaktionsflexibler (d.h. sie können freier entscheiden, welche Antwort sie in einer Situation wählen, statt automatisch von ihren Triggern durchgesteuert zu reagieren).

Integrationsschleife 2: Im Team
Wenn zwei oder mehrere Menschen miteinander kommunizieren, läuft unweigerlich – und in der Regel unbewusst – ein gegenseitiger Ansteckungs- oder Aushandlungsprozess: Führungskräfte können ihre Umgebung dementsprechend mit Nervosität, planloser Getriebenheit oder Depressivität ebenso „anstecken“ (oder sich von ihr anstecken lassen) wie mit Ruhe, Souveränität und Zuversicht. Das können wir ein Stück weit mitgestalten, wenn wir sowohl mit uns selbst fühlbar im Kontakt sind, als auch spüren, wie die Präsenz eines anderen uns berührt. Achtsamkeitstraining mit Tools wie der „Dyadenarbeit“ unterstützt uns darin, beide Prozesse stimmig zu integrieren, statt nur bei uns oder nur beim anderen zu sein.

Psychologische Sicherheit ist nicht zuletzt deshalb der Erfolgsfaktor Nr. 1 für langfristig erfolgreiche Teams, weil sie die individuelle und gemeinsame Resilienz entscheidend stärkt.

Integrationsschleife 3: Umfelderwartungen
Teams, in denen die Beteiligten gut mit sich und miteinander in Kontakt sind, weisen nicht nur eine überragende psychologische Sicherheit auf. Sie sind auch gut darin, ihre Prozesse der Zusammenarbeit laufend zu verbessern. Das bringt notgedrungen Reibungsflächen mit ihrer Umgebung, wenn diese mit einem deutlich anderen Mindset unterwegs ist.

Herausragende Führungskräfte gestalten die entstehenden Schnittstellenthematiken proaktiv mit. Dann kann zunehmende Resilienz im Team Hand in Hand mit der Weiterentwicklung geeigneter Rahmenbedingungen gehen.